Walter Schwarz
Der Katalog der Bibliothek des Kochkunstmuseums in Frankfurt am Main
September 2002
Der Katalog der Bibliothek des ehemaligen Kochkunstmuseums in Frankfurt am Main ist die abgeschlossene, verlegerisch aufbereitete Aufzeichnung einer Sammlung, die rekapitulierend Schriftgut in einem vom Verfasser dieser Arbeit festgelegten Zeitraum dokumentiert. Dieser Zeitraum umfasst gastronomische Literatur vom 16. Jahrhundert bis Ausgang des 2. Weltkriegs. Diese bedeutende Sammlung wurde von 1895 bis 1944 von Matthäus Carl Banzer und Walter Bickel zusammengetragen.
Walter Bickel hat in der Zeit von 1936 bis 1938 eine Titelsammlung nach Sachgebieten aufgezeichnet. Diese Aufzeichnungen liegen dem Museum für Tafelkultur in Frankfurt am Main, Windmühistraße 3 vor. In dieser Arbeit sind die Titel fortlaufend nach Nummern geordnet. Der schnelle Zugriff hatte vor allen anderen Überlegungen Vorrang. Eine alphabetische Gesamtgliederung im Sinne der preußischen Bibliotheksinstruktionen fand nicht statt. Diese Arbeit wurde in den letzten Kriegsjahren von einem unbekannt gebliebenen Bibliothekar, basierend auf der Arbeit von Walter Bickel, vorgenommen. Walter Bickel ging es allein darum, mit seiner von ihm verfassten Titelsammlung ein brauchbares Instrument zu schaffen, um die Bücher in seiner Eigenschaft als Museumskustos ohne Schwierigkeit verleihen zu können.
Bei allem Sammeln haben Banzer und Bickel vorerst keine sogenannte kritische Auswahl der Sammelobjekte vorgenommen. Nachdem die meisten Bücher der Sammlung private Spenden waren, wurden die Druckwerke, ohne Rücksicht auf besondere Auswahlkriterien, in die Sammlung aufgenommen. Aber man kann überzeugt sein, daß die kritische Auswahl nach dem Krieg durch Zukäufe voll zum Zuge gekommen wäre. Leider kam es hierzu nicht. Die Tragik des Untergangs dieser berühmten Bibliothek von Gastronomica wurde in der Arbeit “Über das Sammeln von Kochbüchern und Gastronomicas” beschrieben.
Das vorliegende einzige Exemplar des Katalogs besteht aus der Zusammenfassung von Druckbögen, die ein Freund dieser Sammlung einmal binden ließ. Jeweils 16 Seiten sind ein Druckbogen. Auf manchen Seiten des Buches findet man noch die Nummern der Druckbögen d. h. also auf Seite 1 = Druckbogen 1, auf Seite 17 Druckbogen 2, auf Seite 49 Druckbogen 3 undsoweiter. Die Rückseite des Druckbogens wurde an gleicher Stelle mit gleicher Nummer und einem Stern markiert.
Die Bibliothek des ehemaligen Kochkunstmuseums in Frankfurt am Main.
Bis Ende 1944 stand im damaligen Kochkunstmuseum in Frankfurt am Main die bemerkenswerteste Bibliothek von Gastronomica in den Regalen und war vor dem 2. Weltkrieg die bedeutendste Sammlung ihrer Art im deutschsprachigen Raum. Die vielen Druckwerke wurden von Matthäus Carl Banzer, dem Verbandsdirektor des Internationalen Verbandes der Köche, im damaligen Verbandshaus Windmühlstrasse 1 zusammengetragen und bis dessen Ausscheiden in den Ruhestand 1935 von ihm gepflegt. Walter Bickel, ab 1937 Museumskustos und Direktor der Reichskochschule, katalogisierte während seiner Tätigkeit in Frankfurt am Main alle Bücher dieser Sammlung auf seine Weise. Der noch in einem Exemplar vorhandene gedruckte Katalog der Bibliothek, der eine eigene ganz besondere Geschichte hat, ist ein Unikat und gleichzeitig ein einzigartiges kulturhistorisches Dokument, das nur sehr wenigen Sammlern bekannt ist. Mittlerweile konnte durch entsprechende Nachforschungen der eindeutige Beweis erbracht werden, daß es sich bei es sich bei diesem vorliegenden einzig vorhandenen Exemplar um die nachträglich gebundenen Korrekturbögen des bereits gesetzten Bestandskatalogs des Kochkunstmuseums handelt. Wegen der heftigen Bombenabwürfe in Berlin und den nachfolgenden Kriegseinwirkungen beim Kampf um Berlin kam es nicht mehr zur Fertigstellung dieses Nachschlagewerkes. Die Bibliothek des Kochkunstmuseums in Frankfurt am Main baute sich nach einer vor einigen Jahren erstellten Statistik auf 3.022 Büchern auf. Von diesem Gesamtbestand waren es allein 2.546 Bücher, die sich wie folgt gliederten:
Deutsche Werke
1. 292 Bücher = 50, 75%
Ausländische Werke
Lateinische, italienische und alle andere Sprachen
41 Bücher = 1, 61%
In Englischer Sprache
722 Bücher = 28, 36%
In französischer Sprache
491 Bücher = 19, 28%
Insgesamt
2. 546 Bücher
Der Katalog verzeichnet dagegen 2. 717 Bücher. Die Abweichung kommt deshalb zustande, weil bis zum Druck des Katalogs noch einige Jahre vergingen und weitere Zugänge zu verzeichnen waren. In diesem Katalog wurden ausschließlich in Buchform veröffentlichte Druckwerke aufgenommen. Die legendäre Menü-und Speisekartensammlung sowie die einzigartige Skripturensammlung wurden in den gedruckten Bestandskatalog nicht aufgenommen. In dieser berühmten Bücherhortung wurde gastronomisches Wissen vom späten Mittelalter bis zum Untergang dieses Instituts, in der Mitte der vierziger Jahre, in einer immensen Fülle vereinigt. Ihrem Umfang und ihrer Geltung nach war es eine der wichtigsten Sammlungen von Gastronomica in der ersten Hälfte des 20. Jahrhdunderts in unserem Lande. Nach fast dreißig Jahren wurden die Bücher von Bickel erstmals intensiv gesichert, geordnet und in einfacher Weise katalogisiert. Die Listen des Gesamtbestandes aus der Hand von Walter Bickel lagen mir in Fotokopie vor. An dieser Stelle danke ich dem Präsidium des “Verband der Köche Deutschlands e. V.” für die Überlassung dieser Zusammenfassung der Bibliotheksbestände des Kochkunstmuseums, hinter der sich eine immense Fleißarbeit verbirgt. Diese Museumsbibliothek hatte in Fachkreisen weltweit ein sehr hohes Ansehen. Fast alle wichtigen Autoren jener Zeit bis zurück in das sechzehnte Jahrhundert waren vertreten. Im Zusammenhang mit dieser Sammlung konnte man von einer gepflegten Sammelkultur auf diesem Spezialgebiet sprechen. Der nach dem Krieg wiederentdeckte Katalog dieser untergegangenen Bibliothek spiegelt eine in sich vorläufig abgeschlossene Dokumentation einer Fülle von internationalem Schriftgut vom 16. Jahrhundert bis etwa 1944. Diese gastronomische Schrifttumsammlung war geradezu von einer exzeptionellen Opulenz, die im deutschsprachigen Raum damals selten anzutreffen war. Viele bibliophile Sammelstücke wurden in den ersten Jahrzehnten nach der Verbandsgründung von Köchen, Hoteliers, gastgewerblichen Betrieben sowie von an gastronomischen Dingen interessierten Privatpersonen gespendet. Die damalige Begeisterung an gastronomischer Kultur fand auch in allen anderen Sammlungen des Kochkunstmuseums einen reichen Niederschlag. Dies war einerseits eine geradezu romantische Einsicht und andererseits wiederum das Wissen, für eine große und weltweit einmalige Sache einen wesentlichen oder auch kleinen Beitrag zu leisten, zurückzuführen. Hier spiegelte sich ein gültiges Regelmuster jener Zeit, das heute leider nur noch schwach in der Gesellschaft verwurzelt, aber in einer unserer Gegenwart angepassten Form langsam wieder im Ansteigen ist. Banzers Sammeltaktik war mehr oder weniger geprägt vom Zufall, was ihm gerade durch Schenkungen zufloss und auch durch Zukauf von bekannten Werken, die in eine solche Sammlung gehörten. Aus all seinen Entschlüssen ist die große Liebe zum Druckwerk, auch bei später Betrachtung der damaligen Situation, sehr deutlich spürbar. Eine Bibliothek wie diese hätte schon damals ein beachtliches Trainingsfeld für Wissenschaft und Lehre sein können. Leider ist dieser Bücherschatz gastronomischer Literatur, trotz seiner anerkannten Qualität, solange er verfügbar war, nie so recht zu dieser Ehre gekommen.
Nachdem durch Banzers geschickter Museums-und Verbandspolitik und seiner vielseitigen taktischer wie auch diplomatischer Klugheit die Bibliothek zu einer für die damalige Zeit beachtlichen Größe angewachsen war, kamen Interessenten dieser Spezies mehr denn je, um sich diese Fülle seltener Bücher anzusehen. Die konsequente Folge war, daß noch mehr Bücherspenden dieser Hortung zuflossen. Manche Titel waren drei bis viermal, andere bis zu zehnmal in den Regalen vorhanden. Der einzige Unterschied zwischen den Doubletten waren die Erstausgabe oder spätere Auflagen des gleichen Buches.
Entsprechend einer testamentarischen Verfügung floß dem Kochkunstmuseum im Jahre 1931 die bedeutende amerikanische Sammlung von Adolphe Meyer zu. In einem Monatsheft des Jahrganges 1931 der Fachzeitung “Die Küche” wurde dieser Schenkungsakt wie folgt beschrieben.
“Im fünften Heft des Jahrganges 1931 unserer Fachschriftberichteten wir über den allzufrühen Heimgang unseres langjährigen Mitarbeiters und Freundes Adolphe Meyer, der kurze Zeit, nachdem er sich zur Ruhe gesetzt und seinen Wohnsitz von New York nach Freiburg verlegt hatte, aus dem Leben scheiden mußte. Nach einem harten arbeitsreichen Leben in Amerika wollte er sich in seinem schönen Heim, in der Perle des Breisgaues, ganz seiner Lieblingsbeschäftigung der Fachschriftstellerei widmen und seine Forschungsarbeiten in unserer Fachschrift veröffentlichen. Sein Ableben bedeutet daher für uns einen doppelten Verlust, denn wir verloren in ihm nicht nur den langjährigen Mitarbeiter, dem wir vieles verdanken, sondern auch den Freund, auf den wir manche Hoffnung für die nächsten Jahre gesetzt und mit dem wir manchen Plan vereinbart hatten. Heute können wir nun unseren Lesern besonders aber den Freunden des Kochkunstmuseums, die frohe Botschaft verkünden, daß Adolphe Meyer dem Kochkunstmuseum seine gewaltige, 1. 150 Bände umfassende, Bibliothek vermacht hat und daß diese Riesensammlung bereits bei uns eingetroffen ist. Durch diese hochherzige Zuwendung hat Adolphe Meyer nicht nur dokumentiert welch hoher Idealismus für die gastronomische Kunst und Wissenschaft ihn beseelte, sondern wie er auch besonders unserem Kochkunstmuseum zugetan war, dessen Wert als Förderungsstätte gastronomischer Kultur ihm seit seiner Gründung offenbar war. Adolphe Meyer hat sich aber durch dieses Vermächtnis auch ein Denkmal gesetzt, das in aller Zukunft Zeugnis ablegen wird von dem idealen Berufsstreben eines hervorragenden Fachmannes, dem wahrhaft edlen Menschen, das wir in seinem Geiste pflegen und in Ehren halten werden. Wir sind von tiefer Dankbarkeit gegenüber dem Verstorbenen, aber auch gegenüber seiner Gattin, Frau Thekla Meyer, die das Vermächtnis zur Ausführung brachte und in hochherziger Weise auch die Transportkosten von New York-City nach Frankfurt übernahm. Die Meyersche Sammlung bildet eine gewaltige Bereicherung und Ergänzung der Bibliothek des Kochkunstmuseums, da sie zum größten Teil aus Werken besteht, die das Museum noch nicht besitzt. Sie umfaßt 625 Bände in englischer, 302 in französischer, 207 in deutscher und 19 Bänden in anderen Sprachen. Adolphe Meyer hat alles, was er von gastronomischen Büchern aus der Zeit vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart auftreiben konnte, zusammengetragen.
Die Sammlung wird nun zunächst ordnungsgemäß katalogisiert, was einige Monate in Anspruch nimmt. Alsdann wird sie in unserer Zeitschrift besprochen werden. Wir werden hierbei eine Anzahl interessanter Buchtitel und viele alte Holz-und Kupferstiche im Faksimile bringen und unseren Leser interessante Einblicke in die Werke unserer alten Meister gewähren.
Durch diesen Zuwachs besitzt das Kochkunstmuseum die größte gastronomische Büchersammlung von Deutschland, vielleicht sogar darüber hinaus. Mit diesem nunmehr immens gewachsenen Bücherschatz wurde die Bibliothek der wertvollste Teil der Sammlungen des Museums.”
Die museale Pflege dieses großen Bücherbestandes war durch Banzer und später durch Bickel absolut garantiert. Mit einer wissenschaftlich betriebenen Erforschung der Bestände tat es allerdings noch not und es ergab sich keine Verbindung zu Forschung und Lehre. Man kann aus heutiger Sicht sagen, die Zeit war damals noch nicht reif, diese im Kochkunstmuseum präsentierte reichhaltige Palette von Druckwerken der letzten vier Jahrhunderte fachgemäß wissenschaftlich auszuwerten. Die Entfaltung und Ausweitung der Bibliothek war auch nicht zuletzt das Ergebnis einer geradezu bewundernswerten Sammelleidenschaft des Verbandsdirektors Banzer und vieler seiner Vereinsmitglieder. Ob es sich um moderne Druckwerke in der Nüchternheit der zwanziger Jahre oder ehrwürdige alte Drucke in Ziegen- oder Kalbsleder gebunden, oder Ausgaben des 19. Jahrhunderts, wobei man gerade damals mit Gold-Silber-oder Emaildekors nicht sparte, handelte. Diese Büchersammlung hatte sowohl in historischer wie auch ästhetischer Hinsicht einen sehr hohen Rang. Allerdings muß man dazu auch sagen, daß sich das Sammeln von Gastronomica in den dreißiger Jahren noch in einem finanziell erschwinglichen Rahmen abspielte. Eine große Anzahl der überkommenen Druckwerke im damaligen Kochkunstmuseum waren von der Ausstattung der Bucheinbände, Buchdeckel und Rücken her von interessanter und künstlerischer Aufmachung. Neben dem schlichten Buchdesign unserer Zeit, begonnen in den zwanziger Jahren, fand man auch Ausstattungselemente mit kunstfertigen Goldschnitten von allegorischen Figuren, Blumenketten sowie üppigen Füllhörnern, die den Zeitgeschmack historischer Epochen wiederspiegelten. Der Formenvielfalt in der Schmuckdeckelprägung waren dereinst wahrlich kaum Grenzen gesetzt und reichten von der Renaissance bis in die Anfänge unseres Jahrhunderts, der Zeit des Artdeco. Im Spätmittelalter bis in das 17. Jahrhundert waren Buchumhüllungen oft reine Kunstwerke, die vielfach mit wertvollen Naturalien verarbeitet waren und auch heute noch für Betrachter sehr prunkvoll und reich wirken. Die Einbände nahmen dann späterhin sehr oft in ihrer dekorativen Ausstattung auch das Thema des Buches auf. Alle diese wohlgestalteten künstlerischen Ausdrucksmittel beim Buchschmuck waren in der damals vorhandenen Bibliothek des Kochkunstmuseums zu bewundern und geben in der Nachbetrachtung ein rechtes Ausmaß des Verlustes im Jahre 1945.
Die Affinität mit anderen bekannten Sammlungen von Gastronomica mag wohl zutreffen, aber nur wenige Spezialbibliotheken konnten es damals im deutschsprachigen Raum mit dem Bücherbestand dieses Instituts aufnehmen. Heute haben wir sehr interessante und umfangreiche Sammlungen dieses Genres in Deutschland die wirklich beachtenswert sind und bis zu 12.000 und mehr Bände katalogisiert nachweisen. Diese Feststellung mündet in eine Ermutigung für Gegenwart und Zukunft dem Beispiel dieser untergegangenen Bibliothek nachzueifern. Eine Büchersammlung von dieser hohen Qualität, die in einem gedruckten Katalog, wenn auch nur noch in einem Exemplarvorhanden, erfasst wurde bleibt, trotz des Untergangs, nach wie vor ein in sich geschlossenes Kunst-und Sammelwerk, das der Nachwelt erhalten bleiben wird. Wenn man diesen Sachverhalt nüchtern betrachtet, bleibt ihr ideeller Wert für alle Zeiten erhalten und kann nicht mehr ausgelöscht werden.
Die von Walter Bickel zusammengestellte Titelsammlung war der erste Versuch, die Bibliothek nach logischen Gesichtspunkten, immer auch mit dem Gedanken eines raschen Zugriffs, zu ordnen. Nach dem 2. Weltkrieg übergab Walter Bickel seine Aufzeichnungen aus der damaligen Zeit dem Verband der Köche und erfuhr zu Lebzeiten nicht, daß durch die Druckerei Müller und Schnöder, Berlin SW68, Dresdener Strasse 38, gegen Ende des 2. Weltkrieges ein Katalog zum Druck vorbereitet wurde. Der leider nur als Druckvorlage überkommene Katalog der Bibliothek wurde nach den preussischen Bibliotheks-Instruktionen geordnet und zum Satz gebracht. Der Auftraggeber und die Bearbeiter dieses einzigartigen Druckwerks blieben leider bis zum heutigen Tag völlig unbekannt. Die Titelblätter, Seite 1 bis 4, sind nach dem Krieg nicht mehr aufgetaucht und weitere Unterlagen, die etwas mehr Aufklärung in dieses düstere Untergangsbild bringen könnte, liegen leider nicht vor. An diesem Beispiel erkennen die Liebhaber dieses Sammelgenres, daß das Zusammentragen dieser Spezies immer noch voller Entdeckungen, die der historischen Ausdeutung und Interpretation mehr denn je bedürfen, sein kann. Die als Unikat vorliegende Druckvorlage rekapituliert Schriftgut, das von den beiden Kustoden Banzer und Bickel zu einer Spezialbibliothek geformt wurde und vorerst noch ohne eine kritische Auswahlbleiben mußte. Die Bücher kamen ohne Rücksicht auf besondere Auswahlkriterien auf beide zu. Eine Schließung der hierdurch entstandenen Lücken wäre nach dem 2. Weltkrieg, hätte die Bibliothek überlebt, durch gezielte Zukäufe mit Sicherheit zum Zuge gekommen.
Das vorliegende einzige Exemplar des Katalogs besteht somit also aus den Druckbögen, die noch alle unkorrigiert blieben. Ein Freund des Kochkunstmuseums ließ die Einzelblätter in den vierziger Jahren binden und überließ dieses Unikat der Bibliothek des “Verband der Köche Deutschlands e. V.”. Zu bemerken bleibt, daß 16 Seiten einen Druckbogen bilden. Auf den hierfür vorgesehen Seiten des Werkes findet man noch die Nummern der Druckbögen. Auf Seite 1 = Druckbogen 1, auf Seite 17 Druckbogen 2, auf Seite 33 Druckbogen 3, auf Seite 49 Druckbogen 4, auf Seite 65 Druckbogen 5 und so fort. Die jeweilige Rückseite der Druckbögen wurde an gleicher Stelle mit gleicher Nummer und einem Stern markiert. Das gesamte Werk umfaßt 236 Seiten.
Der Untergang der Bibliothek – Ein Augenzeuge berichtet.
In einem Aufsatz unter dem Titel “Erinnerungen an das zerstörte Kochkunstmuseum” schrieb Bruno Wörnle, Dozent und Lehrer an der Reichskochschule, am 12. Januar 1952 in der Verbandszeitung “Zeitung der Köche” folgenden Augenzeugenbericht:
“Die Bücher des Kochkunstmuseums, welche noch kurz zuvor von Walter Bickel in langer, mühevoller und gründlicher Arbeit neu katalogisiert wurden, kamen zum größten Teil in einem Sonderraum, der Schule, ein anderer Teil zur Benutzung für die Lehrgangsteilnehmer in einen Unterrichtsraum unter Aufsicht von Kollege B. . So wäre wenigstens diese wertvolle Büchersammlung gerettet gewesen, aber auch sie fiel dem Krieg auf bisher nicht aufgeklärte Weise zum Opfer.
Zuerst wurden die Bücher, nach der Beschlagnahmung der Schule durch die Wehrmacht von derselben als Eigentum betrachtet und z. T. nach der Forsthausstrasse in das Kochwissenschaftliche Institut gebracht. Ein Teil kam in den Keller der neuen Schule für Gemeinschaftsverpflegung, weil die Wehrmacht sich ein Büro in der Bibliothek einrichtete. Alsdann erwirkte Kollege Leitz, die Freigabe der Bücher für die Sparte der Köche und ließ sie in die Bürgerstrasse bringen. Nach einem Angriff auf dieses Haus dort wurde auch die Bibliothek beschädigt. Inzwischen hatte Kollege Leitz mit einer Bibliothekarin und einem Herrn Dr. B. die Bücher neu katalogisieren lassen. Bei diesem Angriff wurde auch die noch nicht abgeschlossene Registrierarbeit zerstört. Jetzt kamen die Bücher in den Keller der Stadtbibliothek. Nach einem Angriff dort wurden sie durch Löscharbeiten nass, jedoch von E. Bittner mit Hilfe von Berufsschülern und Hitlerjugend auf Schnüren getrocknet und wieder in die Kisten verpackt, um sie angeblich an einen sicheren Ort an der Bergstrasse zu bringen. Von da an fehlt jede Spur. Der genannte B. behauptet, daß die Bücher bei einem erneuten Angriff verbrannt wären, aber die Bibliothekarin, welche ich später sprach, behauptet, daß das nicht stimme, die Kisten seinen vorher von einem Uniformierten mit jungen Leuten abgeholt worden. Es ist gut, daß sich wenigstens einige Bücher im Küchenpult befanden, die so gerettet wurden. Dies sind die Erinnerungen an das Frankfurter Kochkunstmuseum. Möge es einer späteren Generation gelingen, Neues zu schaffen, und die sich dabei an den Idealismus der damaligen Gründer erinnern, welche die Triebfeder zur Schaffung all der Werte waren, die sich im Kochkunstmuseum ansammelten.”
Wer war Bruno Wörnle? Er war lange Jahre Lehrküchenmeister in der Lehrküche des Internationalen Verbandes der Köche in der Windmühl-strasse 1. Aus der reichen Erfahrung seiner früheren Tätigkeit in Herrschaftshäusern und führenden Hotels des In-und Auslandes schöpfend wirkte er als beliebter Fachlehrer in diesem Institut. In der Museumszeitung “Kochkunst und Tafelwesen” sowie in der späteren Verbandszeitung “Die Küche” veröffentlichte er fachkulturelle Beiträge, die damals hohe Anerkennung erfuhren. Walter Bickel, der ehemalige Direktor der Kochkunstmuseums und der Reichskochschule schrieb über den Untergang der Bibliothek unter dem Titel “Rückblick und Auftakt” in der Zeitung “Die Küche” folgendes:
“In den Bombennächsten des Krieges fiel auch die Reichskoch- und Sprachenschule in Trümmern. Bis auf unbedeutende Reste gingen uner-setzliche Werte verloren und die Aufbauarbeit einer ganzen Generation wurde zunichte gemacht. Der Verlust der Gebäude mit ihren technischen Einrichtungen war schmerzhaft genug, aber viel schwerwiegender war die Vernichtung des Kochkunstmuseums mit ihrem Bestand an kulturwissenschaftlichen Beständen und der überaus wertvollen Bücherei.
Die Bücherei umfasste zur Zeit meiner Tätigkeit in den Jahren 1937 und 1938 mehr als 3.500 Titel, dabei waren Zeitschriften und Broschüren nicht mit einbegriffen. Sie galt als eine der geschlossensten Sammlungen von gastronomischen Werken in der Welt. Außer den eigentlichen Kochbüchern waren Werke über Gastronomie, Gastrosophie, Ernährungswissenschaft, Diätetik, Betriebslehre, Lebensmittelchemie, Weinkunde, Lexika u. a. m. in reichem Maße vertreten. Unter den annähernd 1.500 Werken in fremden Sprachen waren ungefähr 700 englische Bücher vorhanden, die aus einer Spende des verstorbenen amerikanischen Kollegen Adolphe Meyer stammten, darunter viele unschätzbare Erstausgaben. Welch ein ungeheuerer Wert diese Bibliothek hatte, war aus dem Vorhandensein eines runden Dutzend von Wiegendrucken, vielen Werken aus dem 16. bis 18. Jahrhundert und sämtlichen Erstausgaben der Klassiker der Kochkunst, der großen Gastronomen des 18. und 19. Jahrhunderts zu ersehen. Rechnet man zu diesen Schätzen noch die zahlreichen Dokumente, die Handschriften und Briefe bedeutender Persönlichkeiten wie Careme, Bernard, Dubois, Escoffier usw. so kann man sich einen Begriff von der wissenschaftlichen Bedeutung dieser Sammlung machen. Mit dem Aufbau einer neuen Bücherei wurde inzwischen begonnen.”